Wie eng Licht und Gesundheit zusammenhängen, ist in den vergangenen Jahren intensiv erforscht worden. Mit überraschenden Erkenntnissen: Sonnenlicht hilft womöglich sogar Herzleiden zu verhindern.
Pflanzen wachsen schneller, wenn sie genug Sonne bekommen, Hühner legen mehr Eier, wenn man sie hellem Licht aussetzt – das ist alles schon lange bekannt. Dass jedoch auch beim Menschen ein enger Zusammenhang zwischen Licht und Gesundheit besteht, ist erst in den letzten Jahrzehnten genauer erforscht worden. Das neue Wissen wird von der Medizin bereits in der Behandlung von depressiven Verstimmungen genutzt – mit erstaunlichem Erfolg.
Licht ist der stärkste Zeitgeber des sogenannten circadianen Systems. Es steuert die innere Uhr, die den Schlaf-Wach-Zyklus, Körpertemperatur und Hormonhaushalt im Takt hält. Helles Licht wirkt über die Augen auf den Hypothalamus und unterdrückt dort die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin. Dieser natürliche Stoff wird immer nachts ausgeschüttet, kann müde machen und die Stimmung drücken.
Helles Licht drosselt die Produktion von Melatonin und hellt die Stimmung auf. Weniger Melatonin bedeutet gleichzeitig mehr vom Gute-Laune-Hormon Serotonin. Licht bewirkt also eine bessere Stimmung und steigert den Antrieb.
Die Sonne befeuert auch die geistige Leistungsfähigkeit: Testpsychologen in Philadelphia teilten hundert etwa gleich begabte Studenten in zwei Gruppen ein und ließen sie zwanzig Aufgaben aus verschiedenen Wissensgebieten lösen. Der einzige Unterschiede war: Die eine Gruppe arbeitete nur an Tagen mit Sonnenschein, die andere nur bei Regen. Der Versuch dauerte zehn Tage.
Schwere Störungen durch Vitamin-D-Mangel
Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Die "Sonnenarbeiter" machten 50 Fehler weniger und waren mit den Lösungen 18 Stunden schneller fertig als die Kollegen, die an verregneten Tagen ihren Kopf anstrengen mussten.
- Wirkung
- Bildung
- Sonneneinstrahlung
- Unterversorgung
Das Sonnenlicht möbelt aber nicht nur die Psyche auf, sondern hat auch auf das Immunsystem handfeste Auswirkungen. Die Sonnenstrahlen fördern die Bildung des so wichtigen Vitamin D in der Haut und vermindern damit die Anfälligkeit gegen Infekte.
Ein Mangel an Vitamin D kann dagegen zu schwerwiegenden Störungen führen: Bei Babys und kleinen Kindern zur "Englischen Krankheit" Rachitis (Knochenerweichung), im späteren Alter zur
Osteoporose (Knochenschwund).
Der Einfluss des Lichts auf das Immunsystem könnte sogar bei der Verhütung von Herzkrankheiten eine Rolle spielen. Übers Jahr gesehen tritt nämlich der Tod bei Herz- und Lungenkranken am häufigsten im Winter ein. Auf unserer nördlichen Halbkugel in den Monaten Januar und Februar, südlich des Äquators dagegen im Juli.
Ein weiteres Indiz: Die Bewohner sonniger Länder und von Hochgebirgsregionen mit starker Einwirkung der ultravioletten Strahlen erliegen seltener einem
Herzinfarkt als Menschen in sonnenarmen Gegenden.
Lichtmangel löst sogenannten Polarkoller aus
Wohl jeder kennt die Tatsache, dass die verhangenen Tage der dunklen Jahreszeit auch die Stimmung trüben können. Mangelndes Licht bewirkt aber noch mehr. Bei den Bewohnern nördlicher Regionen oder bei Teilnehmern von Polarexpeditionen treten gegen Ende des monatelangen Polarwinters eine deutliche Leistungsschwäche, Haltungsverfall, erniedrigter Blutdruck und niedrige Blutzuckerwerte auf.
Der Wasserhaushalt ist gestört, es kommt zu
Haarausfall und Schlaflosigkeit. Auch die Psyche ist meist angeschlagen: Die organischen Symptome werden von Beklemmungsgefühl und
Depression begleitet, die besondere, durch Lichtmangel ausgelöste Reizbarkeit ist als "Polarkoller" bekannt geworden.
Auch die sexuellen Funktionen unterliegen den Einflüssen des Lichts: Bei den Bewohnern des Nordens, bei Schweden, Norwegern und Finnen, lässt in den langen dunklen Wintermonaten die Libido deutlich nach. Das in der Dunkelheit produzierte Hormon Melatonin hemmt außerdem den Eisprung. Auf diese Tatsache ist es wohl zurückzuführen, dass die Frauen im nördlichen Finnland in den Wintermonaten viel weniger Kinder empfangen als in den Monaten zwischen Mai und Juli.
Die Psychiater kennen unter ihren Patienten viele Menschen, die unter einer Winterdepression ("saisonal affektive Störung") leiden. "Charakteristisch für diese Störung ist: Im Frühjahr verschwindet sie wieder", sagt Professor Dr. Siegfried Kasper, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der
Medizinischen Universität Wien.
Trübe Stimmung durch Mangel an Licht
"Die Betroffenen fühlen sich dann wie ausgewechselt, sind motiviert und fröhlich – bevor sie im nächsten Herbst wieder ins Stimmungstief stürzen. Schätzungsweise bis zu fünf Prozent der Bevölkerung leiden regelmäßig daran. Vom Winterblues, einer leichteren Form, sind bis zu zehn Prozent betroffen."
Lichtmangel führt laut Siegfried Kasper schon bei Gesunden zu messbaren Veränderungen im Serotoninhaushalt, einem Neurotransmittersystem, das die Stimmung beeinflusst. Seine Wiener Arbeitsgruppe hat mittels Positronen-Emissions-Tomografie beobachtet, dass die Intensität der Sonnenstrahlen die Ursache ist, wie stark die Serotoninrezeptoren an den Nervenzellen den Botenstoff an sich binden. Nach dunklen Tagen nahm die Bindung bis zu 30 Prozent ab, was zur Trübung der Stimmung geführt hat.
Damit seine innere Uhr richtig tickt, braucht der Mensch täglich etwa zwei Stunden helles, weißes Licht, das wie das Sonnenlicht alle Wellenlängen enthält, sagt der Wiener Psychiater. Schwermütige Patienten, die mit einer entsprechenden Lichttherapie behandelt werden, berichten über eine angenehme, beruhigende und entspannende Wirkung und über eine Besserung der Stimmung.
Einige bemerken allerdings eine ungewöhnliche Betriebsamkeit, einen erhöhten Wachzustand, innere Unruhe und ein Aufgedrehtsein, wie nach zehn Tassen Kaffee. Bei der Lichttherapie setzen sich die Patienten jeden Morgen mindestens eine halbe Stunde vor eine Lichtlampe mit einer Intensität von 5000 bis 10.000 Lux. Zum Vergleich: Normale Zimmerlampen kommen auf 300 Lux.
Natürliches Licht stellt die innere Uhr richtig
Unsere innere Uhr steuert so ziemlich alles, was in unserem Körper mit einem täglichen Rhythmus abläuft: zum Beispiel die besten Zeiten zum Einschlafen, Aufwachen, Lernen, Essen, Konzentrieren, oder Joggen.
Leider ist dieser Zeitgeber anfällig für äußere Einflüsse: Empfindliche Menschen reagieren schon auf kleinere Zeitverschiebungen, was sich auch in der alljährlich aufflammenden Diskussion über Nutzen oder Schaden des Wechsels zur Sommerzeit widerspiegelt.
Bereits eine Zeitverschiebung von einer Stunde hat Auswirkungen auf die innere Uhr: Die Funktionen des Organismus sind phasenverschoben und benötigen mindestens einen ganzen Tag zur Anpassung an die tatsächliche äußere Zeitgebung. Bekannte Nebenwirkungen sind z. B. Übelkeit, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und schlechte Stimmung.
Aktuelle Forschungen verdeutlichen, dass der sogenannte circadiane Rhythmus in erster Linie vom Zeitgeber Licht beeinflusst wird, der unsere biologische Uhr organisiert. Einen aktuellen Beitrag dazu lieferte kürzlich Dr. Kenneth B. Wright mit seinem Team vom Labor für Chronobiologie und Schlaf der
Universität Colorado in Boulder mit acht freiwilligen Versuchspersonen (veröffentlicht im Fachblatt
"Current Biology").
Tag-Nacht-Rhythmus um 2 Stunden verschoben
Die Forscher untersuchten ihre Probanden zunächst im üblichen Alltag und maßen den Melatoninspiegel im Blut. Melatonin wird nachts von der Zirbeldrüse im Gehirn gebildet und ist an der Regulation des Tag-Nacht-Rhythmus beteiligt.
Es stellte sich heraus, dass der Tagesrhythmus der acht Freiwilligen um etwa zwei Stunden gegenüber dem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus im Sommer verschoben war – wie das für moderne Menschen in einer elektrisch erleuchteten Umgebung typisch ist. Das heißt: Die Innere Uhr ging um zwei Stunden nach. Die Probanden neigten dazu, bis Mitternacht wach zu bleiben und erst um etwa acht Uhr morgens aufzustehen.
Anschließend verbrachte die Gruppe eine Woche beim Campen in den Rocky Mountains. Dort flackerte abends und nachts nur das Licht des Lagerfeuers, es gab kein elektrisches Licht und auch Mobiltelefone, Taschenlampen und andere elektrische Geräte waren Tabu.
Und siehe da: Im Laufe der sieben Tage verschwand die zweistündige Zeitverspätung. Der nun gemessene Melatoningehalt begann etwa bei Sonnenuntergang anzusteigen und fiel am Morgen gleich nach Sonnenaufgang, noch bevor die Probanden wach wurden.
Dabei schliefen die campierenden Versuchskaninchen in der Wildnis genauso lange wie zu Hause, sie wurden abends jedoch schneller müde und wachten morgens im natürlichen Tageslicht früher auf.
Die Frühjahrsmüdigkeit existiert wirklich
Fazit des Studienleiters Dr. Wright: "Mit mehr Sonnenlicht und weniger Kunstlicht können wir unsere innere Uhr zurückstellen und morgens vermutlich leichter aufstehen".
Das Wissen um die Rolle des Tageslichts in der Regulierung des Tag-Nacht-Rhythmus ist auch von großer praktischer Bedeutung, so zum Beispiel für Menschen, die Schichtarbeit leisten müssen: Sie sollten sich auf dem Heimweg nach der Arbeit mit einer Sonnenbrille vor dem Tageslicht schützen und im Schlafzimmer für Dunkelheit sorgen, empfehlen Experten. Nur so kann ihr Gehirn das müde machende Melatonin produzieren, das ihnen auch tagsüber zu einem erholsamen Schlaf verhilft. (Quelle Text & Foto abda.de Postingservice / welt.de/ Erstellt von START4PUBLICITY Jürgen A. Slowik 5/2016)